Hamburg baut um: Es bleibt alles anders

"Früher", so sagen viele ältere Hamburger, "da war alles besser!" Einige meinen damit, dass auf den Straßen weniger Verkehr herrschte. Andere vermissen Kinos oder die großen Biergärten. Wiederum andere bemängeln, dass sich das Stadtbild verändert.

Kran über Hamburg, © iStock.com/Fokusiert
Kran über Hamburg, © iStock.com/Fokusiert

Es stimmt ja: Wenn man sich historische Fotos aus Hamburg ansieht, fallen einem viele Veränderungen auf. Manchmal musste ein ganzer Straßenzug einem hohen Neubau weichen, manchmal ist es die Abbildung einer Straßenbahn, die schon seit mehr als 40 Jahren nicht mehr durch die Stadt fährt. Ob es aber früher besser war oder künftig eher besser sein wird, ist Ansichtssache. Fest steht: Hamburg befindet sich im permanenten Wandel. So war es immer, so wird es immer bleiben.

Aber welches Gefühl haben Menschen denn für eine Stadt, wenn sie in ihr leben und arbeiten? Was macht einen Hamburger zum Hamburger? Die Antworten darauf werden bei vielen Bürgern anders lauten. Aber garantiert spielen städtebauliche Projekte selten eine Rolle, die das Gesicht Hamburgs verändern – selbst dann, wenn diese so eindrucksvoll wie der monumentale Bau der Elbphilharmonie aussehen.

Die Veränderung einer Stadt findet zwar direkt vor unseren Augen statt, doch oft nehmen wir diesen langwierigen Prozess gar nicht wahr, der damit einhergeht. Planungen dazu sind zäh, die Umsetzung dauert. Man gewöhnt sich an Baustellen – schon beim Richtfest haben wir vergessen, was dort vorher stand. An dieser Stelle kann sich jeder mal selbst überprüfen: Wer ohne Suchmaschine sagen kann, welche Geschäfte in den vergangenen zehn Jahren an der Wandsbeker Chaussee die Besitzer gewechselt haben oder welche Neubauten entlang der Osterstraße entstanden, bekommt hundert Punkte.

Katastrophen bringen Veränderungen

Nicht immer handelt es sich bei einer städtischen Veränderung um ein Mammutprojekt, manchmal geschieht der Prozess schleichend und kaum wahrnehmbar. Mal wird der Wandel gesteuert, hin und wieder entwickelt er sich fast ohne fremde Einwirkung. Die größte Katastrophe unserer Zeit ist die Corona-Pandemie. Ohne diese verharmlosen zu wollen: Unsere Vorfahren mussten mit ganz anderen Kalibern umgehen. So brannten in der Vergangenheit mehrmals große Teile der Stadt nieder.

Am bekanntesten ist sicher der Hamburger Brand, der zwischen dem 5. und 8. Mai 1842 in der Altstadt wütete. Das Feuer brach in der Deichstraße aus und breitete sich schnell aus. Im Westen konnte es nur durch Sprengungen gestoppt werden. Rund ein Viertel des damaligen Stadtgebietes wurde zerstört, geschätzt waren 1.700 Häuser, 102 Speicher und drei Kirchen betroffen. Durch die großflächige Zerstörung ergab sich aber auch die Möglichkeit, das innere Stadtgebiet neu zu gestalten. So entstand zum Beispiel in der Folge das Gebiet ums neue Rathaus an der Kleinen Alster. Viele der damaligen Neubauten wurden im klassizistischen Stil italienischer Städte gebaut. Noch heute können wir uns von dieser prachtvollen Architektur überzeugen.

Die Choleraepedemie von 1892 veränderte die Stadt ebenfalls. Damals lebten die Menschen oft in ungesunden Kellerwohnungen, meist auf engstem Raum unter unhygienischen Bedingungen. Die Seuche hatte leichtes Spiel. Nach dem Tod zahlreicher Bürger wurde das Gängeviertel grundlegend saniert oder komplett abgerissen.

Am stärksten aber veränderte der Zweite Weltkrieg das Gesicht der Stadt. Vom 24. Juli bis zum 3. August 1943 fand die Operation Gomorrha statt, ein Flächenbombardement der Alliierten auf Hamburg gigantischen Ausmaßes. Zusätzlich zu den direkten Schäden begünstigten ungewöhnlich hohe Sommertemperaturen von über 30 Grad die Ausbreitung der Feuer in Richtung Osten. Der Feuersturm zerstörte auf diese Weise weite Teile der Stadt, insgesamt verschwanden mehr als 270.000 Wohnungen.

Nach dem Krieg musste die Stadt neu aufgebaut werden. Die heutige Ost-West-Straße verläuft durch ein ehemals dicht besiedeltes Gebiet. Hammerbrook, einst ein von Hafenarbeitern bewohntes Viertel, wurde mit Trümmerschutt um mehrere Meter erhöht und komplett neu bebaut. Auch das heutige Naherholungsgebiet Öjendorfer Park fungierte einst als Abladeplatz für Trümmerteile. Heute ist es kaum vorstellbar, dass Hamburg einst anders aussah.

Wachstum hat Grenzen

Zum Glück sind die großen Katastrophen nur noch Themen aus dem Geschichtsunterricht. Dennoch verändert sich Hamburg weiterhin – mal gemächlich, mal in rasender Geschwindigkeit. Denn als Metropolregion zieht die Stadt wie ein Magnet neue Bürger an. Schon jetzt leben rund 1,85 Millionen Menschen hier, täglich kommen weitere dazu. Wo eine Stadt wächst, muss sie sich verändern, denn die neuen Bürger brauchen Platz zur persönlichen Entfaltung.

Doch neuer Wohnraum steht nicht einfach so zur Verfügung. Nachverdichtung nennt sich die Methode, Freiflächen, Hinterhöfe oder Dachgeschosse für den Wohnungsbau zu nutzen. Nur selten ergibt sich die Möglichkeit, mitten in der Stadt anzubauen, wie es in der Hafencity möglich war. In nur wenigen Jahren wuchs dort aus einem Industriegebiet ein ganz neuer Stadtteil, hochmodern mit Bahnanschluss und eigener Universität.

Von Tradition keine Spur, Geschichte zeigt sich hier vor allem durch den Museumshafen mit dem neuen Flaggschiff der Stadt, der nach Hause geholten und restaurierten "Peking". Für Touristen zählt die Hafencity zu den wichtigsten Hotspots, für viele Einheimische ist sie dagegen Stadtteil aus der Retorte, der ihrem Bild von Hamburg widerspricht. Doch dieses Bild ändert sich immer stärker, der Stolz auf das beliebte Viertel verdrängt die Nostalgie.

Neue Stadtteile brauchen eben ihre Zeit, bis sie eigene Geschichten schreiben und eine Identität entwickeln können – nicht nur architektonisch. Wenn die angepflanzten Bäume Schatten spenden, die Anwohner sich im Sommer auf Wiesen und in Biergärten treffen, wenn die Nachbarschaft zusammenwächst, dann wird die äußere Heimat auch immer mehr zur inneren. Das ist auch die Hoffnung für all die anderen Neubauprojekte der Stadt, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten entstehen.

Ob in Altona oder Hamm, ob in Barmbek oder Wandsbek: Wir haben uns die Pläne angeschaut und verraten, wie sich Hamburg massiv verändern wird – und sich trotz des Wandels treu bleibt.

Die wichtigsten Links zu Hamburgs Stadtentwicklung

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